Einführung in die Montessori Pädagogik

Grundlagen

Dr. Maria Montesso­ri gehört zu den päd­ago­gi­schen Refor­mern Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts. Sie war die ers­te Frau Ita­li­ens, die ein Medi­zin­stu­di­um auf­nahm und spä­ter auch in die­sem Fach pro­mo­vier­te. Zuvor hat­te sie bereits Natur­wis­sen­schaf­ten stu­diert. Sie war damals die ein­zi­ge weib­li­che Stu­den­tin der Medi­zin in Ita­li­en. Als Fach­ärz­tin für Psych­ia­trie arbei­te­te sie in ihrer Kli­nik auch mit geis­tig behin­der­ten Kin­dern. Dabei stell­te sie fest, dass die­se Kin­der durch Akti­vie­rung der Sin­ne und han­deln­des Ler­nen ihre geis­ti­gen Fähig­kei­ten deut­lich ver­bes­sern konnten.

Die­se Erkennt­nis über­trug sie spä­ter auf die Arbeit mit nor­mal ent­wi­ckel­ten Kin­dern in ihrem ers­ten Kin­der­haus, das sie 1907 in Rom grün­de­te. Dort ent­wi­ckel­te, erprob­te und ana­ly­sier­te sie ihr päd­ago­gi­sches Kon­zept und die ein­ge­setz­ten Mate­ria­li­en. In einer vor­be­rei­te­ten und för­dern­den Lern­um­ge­bung gab sie den Kin­dern den benö­tig­ten Raum, um ihrem Ent­wick­lungs­drang frei und selbst­be­stimmt fol­gen zu kön­nen. Umge­bungs­fak­to­ren waren damit nicht mehr neben­säch­lich son­dern bedeut­sam, wobei Hal­tung und Ein­stel­lung des Erzie­hen­den eine zen­tra­le Stel­lung zukommt.

Die Ach­tung der kind­li­chen Per­sön­lich­keit ist der prä­gen­de Fak­tor in der Päd­ago­gik Maria Montesso­ris. Sie betrach­te­te das Kind als eigen­stän­di­ges Wesen, das sich aus eige­ner Kraft und nach einem eige­nen inne­ren Plan ent­wi­ckeln kann. Das Kind wird dabei als Ein­heit von Kör­per, Geist und See­le ange­se­hen. Als ein­zi­ges Lebe­we­sen ist der Mensch in der Lage, sei­ne Fähig­kei­ten durch Ler­nen aus­zu­bil­den, ein Kul­tur­ver­hal­ten zu ent­wi­ckeln und in eine Gesell­schaft hin­ein­zu­wach­sen. Dies alles leis­tet das Kind allein und strebt dabei nach Unab­hän­gig­keit und Los­lö­sung vom Erwachsenen.

Das Edu­ca­re­ti­on® Kon­zept nimmt die­se Ideen auf und for­dert in die­ser Hin­sicht einen gemein­sa­men Lebens­raum, in dem in klei­nem Rah­men Regeln des Zusam­men­le­bens ein­ge­übt wer­den, die das Kind auf sei­ne sozia­le Ver­ant­wor­tung als Teil unse­rer Gesell­schaft vorbereiten.

Die Persönlichkeit des Kindes

Eines der Kern­zie­le der Montesso­ri-Päd­ago­gik ist es, das Kind in sei­ner Per­sön­lich­keit zu ach­ten, es als gan­zen voll­wer­ti­gen Men­schen zu sehen. Maria Montesso­ri betrach­te­te den Men­schen als ein Wesen, wel­ches nicht fer­tig zur Welt kommt, son­dern sich, gemäß eines inne­ren Bau­plans, in akti­ver Aus­ein­an­der­set­zung mit sei­ner natür­li­chen, sozia­len und kul­tu­rel­len Umwelt selbst ent­fal­tet. Maria Montesso­ris The­se das Kind ist selbst der Erbau­er sei­ner Per­sön­lich­keit“ wur­de von der moder­nen Ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gie und Päd­ago­gik in vie­len Unter­su­chun­gen bestätigt.

Der innere Bauplan

Die Ent­wick­lung des Kin­des voll­zieht sich von innen her­aus, sofern es die ent­spre­chen­den Bedin­gun­gen in sei­ner Umge­bung vor­fin­det. Die­ser Pro­zess folgt einem indi­vi­du­el­len Mus­ter. Das heißt, jeder Mensch trägt in sich sei­nen inne­ren Bau­plan, sein eige­nes Ent­wick­lungs­po­ten­ti­al. Maria Montesso­ri bezeich­ne­te dies als inne­ren Bauplan.

Ihre Sicht der kind­li­chen Ent­wick­lung baut auf drei Grund­ge­dan­ken auf:

  1. Der Mensch ist nicht von Anfang an mit einem voll leis­tungs­fä­hi­gen Gehirn aus­ge­stat­tet. Die Ent­wick­lung des Gehirns voll­zieht sich viel­mehr durch gemach­te Erfahrungen.
  2. Die gene­tisch beding­ten Poten­tia­le des Men­schen kön­nen nur inner­halb bestimm­ter Zeit­fens­ter zur Rei­fe gebracht wer­den und auch nur dann, wenn die dazu erfor­der­li­chen Res­sour­cen unein­ge­schränkt ver­füg­bar sind.
  3. Die Auf­bau- und nach­fol­gen­de Aus­bau­pha­se der Per­sön­lich­keit gelin­gen nur durch anhal­ten­de Aktivierung

Entwicklung in Stufen

Nach der Idee Maria Montesso­ris voll­zieht sich die geis­ti­ge Ent­wick­lung in Stu­fen. Nach Erlan­gung einer neu­en Stu­fe blei­ben die der Stu­fe zugrun­de geleg­ten Cha­rak­te­ris­ti­ka bei einem Kind zunächst stabil.

In der ers­ten Auf­bau­pha­se (0 bis 3 Jah­re) absor­biert das Kind unbe­wusst sei­ne Umge­bung, wäh­rend es die­se in der zwei­ten Auf­bau­pha­se (3 bis 6 Jah­re) ana­ly­siert. Mit den Hän­den will es nun im Wort­sin­ne begrei­fen, was sein Geist vor­her auf­ge­nom­men hat. In der drit­ten Auf­bau­pha­se (6 bis 12 Jah­re) erwei­tert das Kind sei­nen Lebens­raum. Es inter­es­siert sich für das Wie und War­um, wobei es nicht nur sei­ne Sin­ne benutzt, son­dern auch sei­ne Vor­stel­lungs­kraft. Es lernt durch prak­ti­sches Han­deln mit Mate­ria­li­en und formt sein sozia­les Ver­hal­ten durch den Umgang mit ande­ren Men­schen (vor allem Kin­dern). Die Umbau­pha­se oder Ado­les­zenz (12 bis 18 Jah­re) ist geprägt von Labi­li­tät, der Suche nach Gebor­gen­heit, von Abhän­gig­keit und gleich­zei­ti­ger Loslösung.

Sensible Phasen

Die Rei­fung des Kin­des erfolgt nicht zufäl­lig, son­dern wird im Wech­sel von Ent­wick­lungs­pha­sen gesteu­ert. Die­se bezeich­net Maria Montesso­ri als “sen­si­ble Pha­sen”. Sie sind gekenn­zeich­net von einer beson­de­ren Emp­fäng­lich­keit, die für den Erwerb bestimm­ter Fähig­kei­ten erfor­der­lich, aber auch nur vor­über­ge­hend ist. Sobald die neue Fähig­keit erwor­ben ist, klingt die beson­de­re Sen­si­bi­li­tät für eben die­sen Aspekt wie­der ab. Die­se Ent­wick­lung wird bestimmt von Rei­fungs­pro­zes­sen und den sozia­len Bedin­gun­gen, unter denen das Kind aufwächst.

Die Polarisation der Aufmerksamkeit

In einer Umge­bung, in der sich das Kind frei ent­fal­ten kann und in der es Ange­bo­te vor­fin­det, die sei­nen Bedürf­nis­sen ent­spre­chen, tritt ein Schlüs­sel­phä­no­men der Montesso­ri- Päd­ago­gik auf: Die Pola­ri­sa­ti­on der Auf­merk­sam­keit. Sie bezeich­net das Phä­no­men, dass der mensch­li­che Geist sich voll­stän­dig einer Sache zuwen­det. Wäh­rend die­ser tie­fen Kon­zen­tra­ti­on löst sich das Kind gleich­sam von sei­ner Umge­bung. Wenn es uns gelingt, die Kin­der immer wie­der in den Zustand der Pola­ri­sa­ti­on der Auf­merk­sam­keit zu brin­gen, haben wir unser Erzie­hungs­ziel erreicht.

Die Pola­ri­sa­ti­on der Auf­merk­sam­keit wird nur in der Aus­ein­an­der­set­zung mit einem Gegen­stand erreicht, den das Kind selbst gewählt hat. Dar­über hin­aus erfor­dert sie geeig­ne­te Lern­an­ge­bo­te (unter Beach­tung der sen­si­blen Pha­sen), eine vor­be­rei­te­te Umge­bung und ein ange­mes­se­nes Ver­hal­ten der Pädagogen/innen.

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